Der Energy Storage Konferenzmesse, die am heutigen Dienstag in Düsseldorf begann, kann man nicht vorwerfen, dass sie die Probleme und Herausforderungen der Branche nicht benennen würde. Das zeigte etwa der Blickwinkel von Stefan Reindl, Sprecher des Vorstandes der Thüringer Energie AG, der in der Eröffnungssession sprach. Ein Beispiel sind die Hausspeicher, die im wesentlichen dazu dienen, die Eigenverbrauchs- und Autarkiequote in Einfamilienhäusern zu erhöhen. „Bei uns sind 16.000 Photovoltaik-Anlagen im Netz, nur bei 10 bis 20 Prozent dürften sich die Hausspeicher rechnen“, sagte Reindl.
Seiner Ansicht nach sind die Geschäftsmodelle für Speicher auch in anderen Anwendungen keine Selbstläufer. Beispiel Quartierspeichern im Niederspannungsnetz. Sie eignen sich dazu, die Einspeisung in Mittelspannungsnetze zu reduzieren und dort den Netzausbau zu vermeiden. In Thüringen gibt es rund 9.000 Ortsnetztrafos, an denen der Übergang vom Mittelspannungs- in das Niederspannungsnetz stattfindet. Nach der Abschätzung von Reindl ergebe sich für die Quartiersspeicher, die sich über die Vermeidung von Mittelspannungsnetzausbau finanzieren, jedoch nur ein bis zwei Prozent dieser Ortsnetztrafos Potenzial. Auch bei Objektspeichern im Mittelspannungsnetz, die Einspeisespitzen kappen und Netzausbau sparen sollen, sieht er nur begrenztes Potenzial. Das heißt übrigens nicht, dass die Thüringische Energie AG nicht investiert. Sie baut derzeit einen solchen Speicher mit 0,4 Megawatt Leistung.
Reindl sieht auch die positiven Eigenschaften der Batteriespeicher. Das ist beispielsweise ihre Reaktionszeit. Sie ist zum Beispiel bei Geräten wichtig, die bei Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerken installiert werden. Die Speicher könnten schneller Leistung abgeben oder aufnehmen als Gasturbinen und dadurch Primärregelleistung anbieten, was mit Gasturbinen schwierig ist. Das mit den Batteriespeichern hinzubekommen sei zwar nicht trivial, doch es sehe so aus, als ob das Problem gelöst sei. Die größte Herausforderung für solche Speicher sei, sie in die Kraftwerksregelung einzubinden. Das ist ein IT-Problem.
Herausforderungen für das Energiesystem
Reindl sieht sehr große Herausforderungen für das Energiesystem, die zunächst nach einem hohen Speicherbedarf aussehen. Das 380-Kilovolt-Hochspannungsnetz werde zunehmend „voller“. 2014 sei nur sieben Mal angefragt worden, Erzeugungsanlagen abzuschalten. 2015 sei das schon 45 Mal der Fall gewesen. Gleichzeitig sei die abgeregelte Energie, meist aus Windkraft, von sieben auf 69 Gigawattstunden gestiegen. Doch um einen Eindruck zu geben, um welche Energiemengen es sich handelt, rechnete er die überschüssige Windenergie einer typischen „Windwoche“ auf das Jahr 2020 hoch und verglich sie mit der Kapazität des größten deutschen Pumpspeicherkraftwerks. Es wäre nach einem halben Tag voll.
Ein wesentlicher Einflussfaktor für die Speicheranwendungen seien die politischen Rahmenbedingungen, betont Reindl. Ganz vorne an stehe, dass Speicher nicht weiter wie Verbraucher betrachtet werden dürften. Das ist ein Dauerbrenner der Branche und wurde auch schon auf vergangenen Energy-Storage-Konferenzen eine Rolle. Dadurch wird Strom, der in Großspeicher ein- und dann wieder ausgespeichert wird, doppelt mit Umlagen und Abgaben belastet.
Eine andere regulatorische Herausforderung sind nach Ansicht von Experten die so genannten Unbundling-Anforderungen. Diese verlangen von Energieversorgern aber einer gewissen Größe, Netzbetrieb und Stromvertrieb vollkommen voneinander zu trennen. Das verhindert beispielsweise, dass Netzbetreiber Batteriespeicher für verschiedene Geschäftsmodelle nutzen. Dabei ist es oft gerade der Mehrfachnutzen, durch den Speicheranwendungen wirtschaftlich werden (diesen will der aktuelle pv magazine award-Preisträger nutzbar machen). Ein weiterer Punkt ist, ob Primärregelleistung 15 oder 30 Sekunden lang vorgehalten werden muss. Das ist ein wichtiger Punkt, da eine Verdopplung dieser Zeit die Installation der doppelten Batteriekapazität nötig machen würde, was die Kosten deutlich erhöhen würde.
Gerade dieses Jahr könnte sich einiges ändern. „2016 ist das Jahr des Marktdesigns“, sagt Peter Röttgen, Direktor für die Innovation für Großspeicher bei Eon und Präsident von EASE. EASE ist ein Speicherverband auf europäischer Ebene, der zum Beispiel mit dem BVES in Deutschland zusammenarbeitet. Die EU-Kommission habe, so Röttgen, nach Ansprechpartnern in Brüssel verlangt. Er erwartet für Oktober eine Gesetzesvorlage für das Marktdesign.
Auch der Johannes Remmel, Minister für Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen, will sich für Speicher einsetzen. Er sagte, dass sein Bundesland nicht nur ein „Flexibilitätsschwerpunkt“ sei, weil es viele möglicherweise steuerbare Lasten gibt, sondern auch weil es ein Schwerpunkt für Speicher werden wolle. Da scheinen sich auch die Interessen der Kohle- und der Erneuerbaren-Branche zu treffen. Schon 2018 werden sich Remmel zufolge die Schwierigkeiten zeigen, wenn hohe Wind-Offshore-Kapazitäten an das Netz gehen und die Kohlekraftwerke in seinem Bundesland noch in Betrieb sind. Auch die Preise würde immer mehr unter Druck geraten. Er zieht daraus den Schluss, dass Speicherkapazitäten ausgebaut werden sollten.
Remmel ermahnte die Branche, dass es in der „in der Öffentlichkeit viel zu häufig Lobbyarbeit für alte Kraftwerke gebe und Lobbyarbeit für Speicher und Netze fehle“. Er kritisierte auch die Bundesregierung, dass sie zu wenig für die Markteinführung tue. Er setzt sich dafür ein, dass Speicher nicht als Verbraucher gelten und dass solche ab 50 Megawatt Leistung als systemrelevant gelten, so dass sie gefördert werden könnten. Dabei denkt er nicht an eine große Förderung, sondern an eine Hilfe zur Vorfinanzierung, wie es sie auch sonst bei Infrastrukturprojekten gebe.
„Wir brauchen eine Zeitenwende“, gab er mit Blick auf den Klimaschutz den Teilnehmern der Konferenzmesse mit, die bis Donnerstag in Düsseldorf zusammenkommen. Erneuerbare Energien seien damit verbunden, dass sie gespeichert werden müssten. Wie wichtig Speicherung sei, sei sogar eine biblische Erfahrung. Man habe immer Speichern müssen, um Hungersnöte zu vermeiden. (Michael Fuhs)
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