Smart-Meter-Rollout: Geschichte und Folgen

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Das Bundeskabinetthat unter anderem den Gesetzentwurf zur Digitalisierung der Energiewende beschlossen, so dass er jetzt in das Parlament geht. Damit macht sie die Errichtung von Photovoltaikanlagen wieder einmal ein bisschen komplizierter. Das ist ja noch kein Gegenargument an sich. Die Frage ist, ob er wirklich weiterhilft, Photovoltaikanlagen ins Netz zu integrieren, ob er die beste Lösung ist und ob er die Interessen von Smart-Meter-Anbietern und Photovoltaikanlagenbetreibern gut abwägt.

Kein Bestandschutz
Betreiber von Photovoltaikanlagen größer sieben Kilowatt müssen es danach akzeptieren, wenn der Messstellenbetreiber ein Smart-Meter inklusive Smart-Meter-Gateway einbauen will. Ab 2017 soll mit dem Rollout für Anlagen zwischen sieben und 100 Kilowatt begonnen werden. 2025 soll es abgeschlossen sein. 2020 soll das Rollout für die Anlagen über 100 Kilowatt beginnen. So wie es aussieht, ist im Entwurf kein Bestandschutz vorgesehen und der Anlagenbetreiber wird sich nicht wehren können. Eventuell können Betroffene den Messstellenbetreiber wechseln, so lange es noch welche gibt, die die Geräte nicht einbauen. Eine Ausnahme könnte es für Anlagen mit so genannten RLM-Zählern geben. Diese kosten Betreiber aber eventuell mehr als Smart Meter, so dass diese Gruppe vielleicht gerne auf die Smart Meter umsteigt.

Den Betreiber einer Sieben-Kilowatt-Anlage, der 30 Prozent Eigenverbrauch hat, kostet das Smart Meter rund neun Prozent aller Einnahmen, das sind bis zu 80 Prozent des Gewinns (Die Berechnungsgrundlage finden Sie am Ende des Artikels). Ob das gerechtfertigt ist, weil damit die Netzintegration eventuell besser möglich ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Vor allem, da die gewollte sichere Steuerung der Anlagen nach Ansicht des BEE noch gar nicht richtig funktioniert und wenn, dann schlechter als mit den bisherigen Systemen, die nicht einmal weiter betrieben werden dürfen.

Von daher ist es durchaus vorstellbar, dass keine sinnvolle Abwägung zwischen Interessen der Betreiber und Erfordernissen der Energiewende stattgefunden hat. Alexander Kleemann, zuständiger Referent im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für Netzregulierung, hat auf einer Podiumsdiskussion vor einem Jahr auch zu erkennen, dass er dieDiskussion um die Wirtschaftlichkeit kleiner Photovoltaik-Anlagen für kleinkariert und uninteressant hält. (siehe auchBlog von Karl-Heinz Remmers zum Thema)

Gewagte Kosten-Nutzen-Analyse
Aber von vorne. Die dritte Binnenmarktrichtlinie Strom der Europäischen Union von 2009 fordert von den Mitgliedsstaaten, 80 Prozent der Letztverbraucher mit intelligenten Messsystemen auszustatten, im Volksmund Smart Meter genannt. Die von manchen Lex Telekom genannte Richtlinie lässt allerdings ein Schlupfloch: Mit Kosten-Nutzen-Analysen können Mitgliedstaaten den Rollout einschränken, wenn er keinen volkswirtschaftlichen Gewinn bringt.

Im Auftrag des BMWi hat die Unternehmensberatung Ernst & Young diese Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Mit ihr begründet der Gesetzentwurf zum Beispiel, dass ein Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 6.000 Kilowattstunden 80 Euro Stromkosten im Jahr sparen kann, wenn er ein Smart Meter einbaut. Da der derzeitige Zähler 20 Euro im Jahr kostet, dürfen dem Verbraucher für das Smart Meter 100 Euro berechnet werden. Eigenverbrauch zählt bei der Bemessung des Stromverbrauchs übrigens mit.

Für das EU-Szenario, bei dem die Verbraucher Smart Meter nutzen müssen, kam Ernst & Young zu dem Ergebnis, dass es mehr Kosten als Nutzen verursacht. Erst bei einem Szenario, bei dem auch Photovoltaikanlagen größer sieben Kilowatt Leistung ein Smart Meter bekommen, über das sie steuerbar sind, überwiege der volkswirtschaftliche Nutzen. Dazu müssten diese Anlagen mit einem aktiven Einspeisemanagement bis zu fünf Prozent abgeregelt werden dürfen, um Netzausbau zu vermeiden. Die Sieben-Kilowatt-Grenze ist übrigens schon im Energiewirtschaftsgesetz von 2011 enthalten.

Allerdings hat Ernst & Young als Referenzszenario ohne Smart-Meter-Rollout nur den Fall betrachtet, dass Photovoltaikanlagen immer voll einspeisen. Dass Anlagen unter 30 Kilowatt auf 70 Prozent ihrer Nennleistung abgeregelt werden müssen, was bereits ohne aktives Einspeisemanagement den Netzausbau reduziert, war nicht Teil der Analyse. Wenn man das betrachten würde, würde das Rollout im Vergleich zur Alternative „kein Rollout“ unwirtschaftlicher.

Die Frage nach dem Blackout-Risiko
Das Gesetz regelt deutlich mehr als das reine Smart-Meter-Rollout, zum Beispiel den Datenschutz und den Umgang mit den Daten. Es soll außerdem sicherstellen, dass die Kommunikation nicht angreifbar ist und beispielsweise die Photovoltaikanlagen von Hackern abgeregelt werden können. Das könnte zu einem ernsthaften Blackout führen.

Allerdings stellen Kritiker genau die Frage des Blackouts an die Smart-Meter-Befürworter. In dem gleichnamigen Roman legen Hacker das europäische Stromnetz durch einen Angriff auf Smart –Meter lahm, mit barbarischen Folgen. Nach dem jetzigen Plan müssen die Geräte des jetzt geplanten Rollouts ein Schutzprofil des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik erfüllen, das genau das verhindern soll. Kritiker stellen aber in Frage, dass es vollkommen sichere Systeme gibt und plädieren für dezentralere Systeme, die so autonom arbeiten, dass es nicht überregional

BEE: Netzintegration geht auch anders
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat ausführlich zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. „Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, sagt Holger Loew, Leiter Infrastruktur und Technik. Derzeit wüssten Verteilnetzbetreiber fast gar nichts über ihre Netze. Wenn man an einigen richtigen Stellen Messpunkte einbauen würde, wäre schon viel gewonnen, ganz ohne Smart-Meter-Rollout.

Was das aktive Einspeisemanagement angeht, für das auch die kleinen Sieben-Kilowatt-Anlagen durch das Gesetz steuerbar gemacht werden sollen, gebe es sehr wohl Alternativen, mit lokalen Regelungen zu arbeiten (Siehe:Feldversuch mit lokalen Regelungen). „Heute werden neue Photovoltaikanlagen fast ausschließlich in gut ausgebauten, vorstädtischen Netzen errichtet“, sagt Loew. Da sie hier nicht zu Überlastung führen, kann durch ihre Abregelgung auch kein Netzausbau eingespart werden. Die Annahmen der Kosten-Nutzen-Analyse überschätzen daher die Vorteile. Der BEE geht so weit, dass seiner Ansicht nach die volkswirtschaftlichen Kosten den Nutzen deutlich übersteigen.

Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme macht daher die Rechnung auf, was der Smart-Meter Rollout bei 500.000 Kleinanlagen volkswirtschaftlich kostet. Über 20 Jahre, jeweils 100 Euro im Jahr, ergeben eine Milliarde Euro. „Das Geld kann man für die Energiewende sinnvoller einsetzen“, gibt er zu Bedenken.

Geplante Technik funktioniert gar nicht
„Der größte Skandal ist aber“, sagt Bernd Engel, „dass die im Gesetz geforderte Steuerbarkeit bisher noch gar nicht nachgewiesen ist“. Er ist Professor für nachhaltige Energiesysteme an der TU Braunschweig und Vorstandsbeauftragter Netzintegration bei SMA, der an der BEE-Stellungnahme mitgearbeitet hat. Es fehlten auch die für die Entwicklung der Steuerbarkeit notwendigen Technischen Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Zur Steuerung der Leistung von Photovoltaikanlagen sei zudem eine Steuerbox vorgesehen, die die Anlagen mit vier Relais schaltet. „Das ist die Kombination des 19. mit dem 21. Jahrhundert“, sagt der. Vier Schaltkontakte, das bedeutet 16 Einstellungsstufen und Kommunikation nur in eine Richtung.
Abgesehen davon bezweifelt auch Bernd Engel den Bedarf. So seien Anlagen von 30 bis 100 Kilowatt, die ja schon jetzt über Rundsteuerempfänger steuerbar sind, bisher fast noch nie von den Netzbetreibern abgeregelt worden.

Der BEE kritisiert besonders scharf, dass alle Kommunikation über das Smart Meter und das damit zusammenhängende Gateway stattfinden müsse. Es sei vollkommen unklar, wie Hersteller in Zukunft über Fernwartung Softwareupdates einspielen, was man bei der Reaktion auf das 50,2-Hertz-Problem schmerzhaft vermisst habe, oder ihre Monitoringsysteme auslesen können. Es gebe heute Anlagen, die mit einer Geschwindigkeit gesteuert werden, die über das vorgesehene Gateway gar nicht möglich sei.

Und die Vorteile?
Im Zusammenhang mit den Smart-Metern wird viel über die Vorteile der Digitalisierung gesprochen. Es gibt viele neue Lösungen, die durch sie mögliche werden. So entwickeln besipielsweise Startups wieFirstfuel (mit Eon und EDF Beteiligung) undBidgeley (mit RWE Beteiligung) Stromverbrauchsanalysen, die den Verbrauchern helfen, Energie einzusparen. Es sind neue Geschäftsmodelle denkbar, durch die die Wertschöpfung steigt und ebenso der Kundennutzen. Das StartupVenios wiederum entwickelt eine Technologie mit der die digitale Intelligenz in anderer Art und Weise verwendet wird, um Netzausbau zu mindern, ohne flächendeckenden smart-Meter-Rollout.

Es sind Projekte in den Starlöchern, die sich für die BMWi Förderung „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ beworben haben und die neben genau diesen Kundennutzen demonstrieren wollen (in der Novemberausgabe des pv magazine, die am 12. November erscheint, berichten wir ausführlich über das Projekt enera im Netzgebiet von EWE). Man muss nur diese Möglichkeiten von einem verpflichtenden Einbau der Smart-Meter trennen. Auch was die energiewirtschaftlichen Elemente der Smart Meter angeht und den Rollout bei kleineren Photovoltaikanalgen sind aus diesen Projekten neue Erkenntnisse zu erwarten.

Vorschlag für ein gutes Gesetz
Woran liegt es, dass ein aus Sicht der Erneuerbaren Branche so schlechtes Gesetz durch das Kabinett geht? „Im Ministerium geht der Blick noch zu wenig über die Bereichsgrenzen hinweg, und es fehlt ein gemeinsames Bild, wie das Zielsystem 2050 aussehen soll“, sagt Loew.
Der BEE würde sich ein anderes Vorgehen wünschen, um zu einem guten Gesetz zu kommen. Erst müsste der Kommunikationsbedarf im Energiemarkt analysiert werden, um dann im zweiten Schritt die beste Kommunikationsarchitektur auszuwählen. Erst danach sei es sinnvoll, die Geräte zu identifizieren, die den erforderlichen Anforderungen am besten gerecht werden.
Ob sich am Gesetzentwurf noch viel ändern lässt, ist unklar. Holger Loew rät, dass Unternehmen ihre Landkreisabgeordneten zu überzeugen, im Bundesrat und Bundestag politischen Druck aufzubauen. (Michael Fuhs)

Anhang: Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für eine Photovoltaikanlage mit 7 Kilowatt Leistung:

Die Reduktion des Gewinns durch die Smart-Meter-Kosten hängt empfindlich von den Rechenparametern ab, auch wenn der Anteil der Smart Meter an den Einnahmen immer zwischen 8 und 9% liegt. Daran zeigt sich, dass der Gewinn sowieso klein gegenüber den Einnahmen ist. Es ist allerdings zu bedenken, dass diese Rechnungen vereinfacht sind und nur als Abschätzung zu verstehen sind.

Die Rechnungen wurden durchgeführt wieauf unserer Themenseite beschrieben (dort finden Sie auch eine Excelvorlage zum Download)
Anlagengöße: 7 KWp/ Degradation pro Jahr -0,5%/ spezifischer Ertrag 950 kWh/kWp/ Eigenverbrauchsanteil 30%/ Strompreis (netto) 24 Ct/kWh/ keine Strompreissteigerung/ Einspeisevergütung 12,23 Ct/kWh / Wechselrichtertausch im 2. Jahrzehnt 700 Euro/ Jährliche Kosten ohne Smart-Meter 100 Euro, mit Smart Meter 180 Euro/ Inflation: 1% / Kalkulationszinssatz 4 Prozent/ Investiton: 11.200 Euro (netto), Inbetriebnahme: Januar

Beispiel 1, Daten bei 20 Jahren Betreibesdauer (rückgerechnet auf das Investitionsjahr):
Einnahmen ohne Smart Meter: 14.798 Euro
Kosten Smart Meter:                 1.273 Euro
Anteil Smart Meter:                         9 %
Gewinn ohne Smart Meter:         1.514 Euro
Gewinn mit Smart Meter:              241 Euro
Reduktion:                                  – 84 %

Beispiel 2, Daten bei 20 Jahren Betreibesdauer (rückgerechnet auf das Investitionsjahr):
Kalkulationszinssatz                         0 %
Inflation Betriebskosten                    0 %
Einnahmen ohne Smart Meter: 21.183 Euro
Kosten Smart Meter:                  1680 Euro
Anteil Smart Meter:                         8 %
ohne Smart Meter:                    7.183 Euro
mit Smart Meter:                         275 Euro
Reduktion:                                   -23 %

Beispiel 3, Daten bei 20 Jahren Betreibesdauer (rückgerechnet auf das Investitionsjahr):
Kalkulationszinssatz                          2%
Inflation Betriebskosten:                   2%
Eigenverbrauchsanteil:                   25 %
Strompreissteigerung:                     2 %
Einnahmen ohne Smart Meter: 18.328 Euro
Kosten Smart Meter:                  2686 Euro
Anteil Smart Meter:                         9 %
ohne Smart Meter:                   4.442 Euro
mit Smart Meter:                      2.762 Euro
Reduktion:                                  -38 %

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