CS Wismar Sonnenstromfabrik: „Nein, wir sind nicht verrückt“

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Zur Vorbereitung des 3. pv magazine Quality Roundtables auf der Intersolar Europe hat pv magazine für einen Überblick Photovoltaik-Produzenten mit Herstellung in Europa zu ihrer strategischen Ausrichtung und Qualitätssicherung befragt. Die Kurzzusammenfassungen werden separat zum Überblicksartikel veröffentlicht.

Produktion: Trotz der letzten turbulenten Jahre, stand die Produktion nie still. Das Werk wurde ursprünglich von Centrosolar gebaut. Nach der Insolvenz des europäischen Teils des Unternehmens betrieb der Insolvenzverwalter das Werk bis Ende 2014 weiter. Zu Beginn 2015 nutzte die Solar-Fabrik die Hallen und Produktionslinien. Nach der Insolvenz der Solar-Fabrik investierte das Gründerteam von Centrosolar in das neue Unternehmen CS Wismar Sonnenstromfabrik und übernahm die Produktion. Es hat eine Kapazität von 525 Megawatt. Nach den Zahlen von IHS (sieheÜberblicksartikel) ist es damit der zweitgrößte Hersteller in Europa.

Strategie: „Wir setzen auf den Vertrieb über den Großhandel und auf Auftragsfertigung“, sagt Geschäftsführer Alexander Kirsch, der auch schon Centrosolar leitete. Einen Direktvertrieb an Installateure soll es nicht mehr geben, da der Markt zu klein für den großen Apparat sei, den man dafür brauche. „Nein, wir sind nicht verrückt“, sagt er wenn man ihn darauf anspricht, wie viele europäische Hersteller Trauer tragen angesichts der Marktsituation und dem Wettbewerb aus Asien. Er sieht sehr wohl ein Geschäftsmodell für die Produktion hierzulande. „Wir sind schuldenfrei, schlank und haben weit mehr Absatzmärkte als nur Europa,  zum Beispiel auch Amerika“.

Dort hat er die US-amerikanische Ostküste im Blick. „Die Westküste lässt sich leichter aus Asien beliefern“, sagt Kirsch. „Doch der Transport über den Landweg ist sehr teuer, daher ist der Markt an der Ostküste attraktiv für europäische Hersteller“. In dem Maße, indem sich dieser Markt nun auch entwickelt, sei er eine gute Perspektive für sein neues Unternehmen.

Auch technologisch differenziert sich CS Wismar. „Wir waren bei Centrosolar die ersten, die Glas-Glas-Module in dieser Fabrik hergestellt haben“, sagt Alexander Kirsch. An diese neuartigen Module, die dünnes gehärtetes Glas nutzen und daher kaum schwerer sind als Glas-Folie Module, will er anknüpfen. Er sagt, dass sich die Fabrik dafür besonders gut eignete. Smart-Fab nennt er das Konzept. Dahinter verbirgt sich eine seiner Einschätzung nach sinnvolle Automatisierung, bei der manche Prozesse halbautomatisch bleiben. Das sichere auf der einen Seite die Qualität, indem etwa Maschinen die Zellen prozesssicher verlöten, und schaffe auf der anderen Seite die Flexibilität, verschiedene und besondere Module zu produzieren. Zum Beispiel könne man andere Formate und Rahmen günstig bauen. Auch sei CS Wismar in der Lage Glas-Glas-Module in der gleichen Zeit zu fertigen wie Glas-Folie-Module. Sonst habe man als Flaschenhals oft die im Vergleich zu Glas-Folie-Modulen längeren Laminationszeiten. Auch für die Offgrid-Module, die in Wismar gefertigt werden, sei diese Flexibilität nötig.

Für Kirsch ist Automatisierung der Feind der Innovation. „Wir sind weniger fest gelegt und verbessern unsere Arbeitsabläufe ständig um viele kleine Schritte“ sagt Kirsch. Diese „Flexibilität und Verbesserungsfähigkeit“ ist laut Kirsch für das gesamte Geschäftsmodell der Schlüssel, auch für die Auftragsfertigung für andere Hersteller. Das OEM-Geschäft ist für CS Wismar ein wichtiges Standbein. Das hat durchaus Tradition. Bereits früher hat Centrosolar für TSMC, Bosch, DuPont und Conergy gefertigt.

Der Verkauf in Projekte steht nicht ganz oben auf der Prioritätenliste, ist aber auch ein Zweig. Niedrige Preise, wie sie dort oft verlangt werden, seien zwar im Prinzip realisierbar, so Kirsch. Sie seien aber auch eine Frage der Beständigkeit. Wenn ein Projektierer einmalig für ein großes Projekt in kurzer Zeit eine große Modulmenge benötige, dann lohne sich es nicht, dafür die Produktion hochzufahren oder die Liefersicherheit für den strategisch wichtigen Großhandel zu gefährden.
Ist Qualität ein mögliches Unterscheidungsmerkmal für europäische Modulhersteller? Wenn nicht Qualität, wie können sie sich abseits der Diskussion um Zölle und Mindestpreise positionieren?
Diskutieren Sie mit auf unserem 3. Qualitäts-Roundtable auf der Intersolar, Donnerstag 23.6. von 15:00 bis 17:30.
Der Roundtable beginnt in Forum 1 mit der Diskussion neuer konkreter Fälle von schlechter Qualität und After-Sales Service. In Forum 2 geht es um Qualitätssicherung entlang der Wertschöpfungskette. Kann sich Europa dort positionieren?Mehr Informationen und kostenfreie Registrierung
Herausforderungen für die Zukunft: Alexander Kirsch sieht als größte Gefahr für sein Unternehmen die Unsicherheit der staatlichen Regulierungen, zum Beispiel beim EEG, und die Wechselkursschwankungen. Dumping sieht er nach wie vor als Herausforderung an, allerdings nicht nur durch chinesische Photovoltaik-Hersteller, sondern immer mal wieder durch solche in Europa – etwa durch Abverkäufe von Restmengen.

Technologische Ausrichtung: Die wirklich große Innovation sind für Alexander Kirsch ganz klar das die Glas-Glas-Module. „Der Trend geht dahin“. Sie haben eine längere Lebensdauer und eine höhere mechanische Belastbarkeit. Das wiederum führe zu weniger Microcracks und somit zu geringerer Degradation. Glas-Glas eigne sich auch hervorragend für bifaziale Module. Die Bifazialität bringt nach Einschätzung von Kirsch eigentlich in nahezu allen Anwendungen einen zehn bis zwanzig Prozent höheren Ertrag, außer die Module sind direkt dachparallel montiert. „Man kann den Mehrertrag aber nur schwer exakt angeben, daher ist es vermutlich nicht so einfach, Investoren zu überzeugen“, sagt er. Zehn Prozent mehr Ertrag bedeuten, dass diese Module knapp zehn Cent pro Wattpeak teurer sein dürften. Die tatsächlichen Mehrkosten lägen jedoch weit darunter, vor allem da Zellhersteller im Zuge der Einführung von Perc-Zellen bereits die Rückseiten, die dann transparent für Licht sein müssen, weiterentwickeln würden. Perc verbaut CS-Wismar im Übrigen auf Wunsch auch.

Qualitätssicherung: Auch für CS Wismar hat Qualität einen hohen Stellenwert. Das neue Unternehmen schöpft aus der Erfahrung von Centrosolar mit dem Track-Rekord von über 20 Jahren Produktion. „Das zeigt sich zum Beispiel bei der Auswahl der Materialien“, sagt Kirsch. Die Fabrik und Produktion sei in der Vergangenheit mit Experten aus der Autoindustrie aufgebaut worden, und diese hätten „sehr klare Vereinbarungen mit Lieferanten“ eingeführt, was in der Branche immer noch keine Selbstverständlichkeit sei. Zum einen habe CS Wismar ein eigenes Testlabor zur Qualifizierung. Auf der anderen Seite würden auch Komponentenlieferanten auditiert, zum Beispiel Zelllieferanten, die die Zellen nur nach Absprache ändern dürften. Centrosolar habe zeitweise acht qualifizierte Lieferanten gehabt, in Zeiten der PID-Diskussion sei es dann zweitweise nur noch einer gewesen. Er zieht an dieser Stelle Parallelen zu der Lichtinduzierten Degradation bei Perc-Zellen. Auch über PID sei lange nicht gesprochen worden, „obwohl das Problem bekannt war“. Der Subtext: Eine gute Qualifizierung machten vermutlich auch heute nicht alle Modulhersteller.

Eine besonders große Herausforderung sieht Alexander Kirsch darin, dass Kunden die Qualitätsdiskussion im Einzelnen oft nicht verstünden. In Deutschland gebe es immer noch den Bonus „Made in Germany“ und damit einhergehend vielleicht ein höheres Vertrauen gegenüber den deutschen Herstellern, das allerdings durch „schwarze Schafe“ bei den europäischen Herstellern etwas „angekratzt“ sei. „Dennoch ist die „Schwarze Schafe-Serie“ gut, das schafft Bewusstsein“ sagt Kirsch. Die Märkte verschöben sich mehr und mehr ins Ausland, so dass das reine „Made in Germany“ weniger eine Rolle spiele. Eine Sonderstellung böten hier Projekte, die mit deutschen Hermes-Bürgschaften abgesichert werden.

Der Knackpunkt dürfte sein, dass in den typischen Renditerechnungen von Investoren oft immer die gleichen Degradationswerte für Module eingesetzt werden. Wenn das der Fall ist, bekommen am Ende die Lieferanten mit billigsten Modulen den Zuschlag. Wie die meisten anderen Hersteller erlaubt CS Wismar auch das Auditing seiner Produktion durch die Kunden, die auf Nummer sicher gehen wollen. „Darin haben wir Übung“, sagt Kirsch. Er ist sich zudem sicher, dass sich die gute Qualitätssicherung auch amortisiere, weil dadurch die Reklamationsraten sinken. (Michael Fuhs)

Diskussionspunkte für den Roundtable, bei dem Alexander Kirsch und sein Co-Geschäftsführer Rüdiger Drewes präsent sein werden:

  • Einschätzungen zu den verschiedenen für europäische Hersteller interessanten Märkten
  • Neue Technologien: welche lohnen sich wirklich und wie sieht eine Fabrik aus, die sie möglichst flexibel und mit hoher Qualität implementieren kann
  • Welche Erwartungen an den Service haben die Kunden der Modulhersteller mit Produktion in Europa
  • Auf welcher Basis können Moduleinkäufer davon überzeugt werden, niedrigere Degradationsraten für Module hoher Qualität in den Renditeberechnungen einzusetzen?

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