Bei ökologisch produzierten Lebensmitteln sind sie schon ein Trend: Produkte aus der Region. Wer regionale Produkte kauft, kauft ein Stück Heimat im weitesten Sinne – oft verbunden mit dem positiven Gefühl, etwas Gutes für die Stärkung der eigenen Region zu tun. Und der Einzelhandel reagiert auf die Wünsche seiner Kunden und baut immer mehr Kooperationen mit regionalen Erzeugern auf. Dieses Konzept, das beispielsweise für Milch in vielen Gegenden Deutschlands funktioniert, will ein Hamburger Unternehmen auf einen ganz anderen Saft ausweiten: auf Strom. Wenn die Pläne des Grünstromwerks aufgehen, sollen seine Kunden mit dem Ökostromtarif Solar25 bundesweit gezielt deutschen Photovoltaikstrom kaufen können. Als nächsten Schritt sollen regionale Produzenten den regionalen Bedarf decken. Und dann soll die Nachfrage vor Ort die Erzeugung vor Ort ankurbeln: mit neuen Photovoltaikanlagen, unabhängig vom Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Oberflächlich betrachtet zäumt das Grünstromwerk für sein Modell Solar25 das Pferd von hinten auf. Denn in der Regel zielen Konzepte, bei denen Solarstrom direkt und damit ohne Förderung durch das EEG vermarktet wird, auf die Erzeugerseite: Für eine geplante oder bestehende Anlage werden Alternativen zur Einspeisung geprüft, etwa der Verkauf an einen oder mehrere Abnehmer vor Ort oder die Vermarktung über die Börse nach dem Marktprämienmodell. Diese Dienstleistungen für Anlagenbetreiber hat auch das Grünstromwerk im Angebot. Mit Solar25 setzt das Unternehmen jedoch bei privaten und gewerblichen Stromkunden an und durchbricht damit bewusst die gängigen Denk- und Fördermuster. „Bei der Photovoltaik wird häufig kritisiert, dass der Ausbau sich an der Maximierung der Einspeisevergütung orientiert und daher losgelöst vom Strommarkt und von der Stromnachfrage stattfindet“, sagt Geschäftsführer Tim Meyer. „Mit Solar25 wollen wir die Photovoltaik aus der EEG-Vergütung lösen und in den Markt einbinden. Denn dieser Stromtarif ist ein Angebot an die Stromkunden, nicht an die Anlagenbetreiber. Und nur bei entsprechender Nachfrage ziehen wir die Erzeugerseite nach.“
Solar25 sieht vor, dass mindestens ein Viertel der im Lieferjahr bezogenen Menge aus deutschen Photovoltaikanlagen stammt. Die übrigen 75 Prozent kommen aus Wasserkraftwerken aus Skandinavien und sind mit dem Label Renewable Plus zertifiziert, das nur Kraftwerksbetreiber erhalten, die laufend in neue Erneuerbare-Energien-Anlagen investieren. Mit diesem Strommix erreicht das Grünstromwerk zum einen, dass der Preis seines Stromtarifs neben anderen Ökostromangeboten bestehen kann. „Mehr als 25 Prozent Solarstrom lassen sich außerdem ohne Speicher kaum in Standardlastprofile integrieren“, sagt Meyer. Das Grünstromwerk lege aber Wert darauf, den Solarstromanteil zeitgleich zu beschaffen und auszuliefern. „Die Strommenge, die wir dem Betreiber einer Photovoltaikanlage direkt abkaufen, fließt ohne Zwischenhändler oder andere Umwege in unseren Bilanzkreis, und zwar auf Basis der energiewirtschaftlichen Viertelstunden-Bilanzierung“, erklärt Meyer. Ein Bilanzkreis ist ein virtuelles Energiemengenkonto, das alle tatsächlichen Einspeisungen und Entnahmen erfasst; diese müssen sich für eine zeitgleiche Versorgung innerhalb von 15 Minuten ausgleichen.
Viele deutsche Ökostromtarife setzen stattdessen auf eine mengengleiche Versorgung, bei der das Zeitfenster ein Jahr beträgt. Wenn also ein Kunde einen Tarif mit 100 Prozent Wasserkraft abschließt, ist es bei mengengleicher Versorgung möglich, dass er zu Spitzenzeiten Strom unbekannter Herkunft – unter Umständen aus Kohle- oder Atomkraftwerken – erhält. Zum Ausgleich wird zu anderen Zeiten an andere Verbraucher Strom aus Wasserkraft geliefert, ohne dass es bei diesen deklariert wäre. Damit stimmen in Summe die deklarierten mit den verbrauchten Mengen überein, nur nicht zu jedem Zeitpunkt.
Beim Solaranteil seines Stromtarifs verhindert das Grünstromwerk die Entkoppelung von Einspeisung und Entnahme durch den Einkauf direkt beim Erzeuger. Beim Anteil aus Wasserkraft soll das Renewable-Plus-Zertifikat für bessere Verknüpfung sorgen – sie wird bei dem Zertifikat auf Monatsbasis betrachtet, nicht wie marktüblich auf Jahresbasis. „Die Nutzung norwegischer Wasserkraft ist im Moment die einzige Möglichkeit, Photovoltaikstrom so zu ergänzen, dass das Gesamtpaket auf dem Strommarkt wettbewerbsfähig ist“, sagt Meyer. Deutsche Wasserkraftkapazitäten seien auf Jahre hinaus bereits verkauft, außerdem seien die Anlagen alt. Wind oder Biomasse wiederum seien zu teuer.
Mit Solar25 hat das Grünstromwerk Mitte 2013 Neuland betreten. „Beim Thema Wettbewerbsfähigkeit hat die Branche bislang immer nur auf den Großhandelspreis gestarrt“, wundert sich Meyer. „Wir waren die Ersten, die dafür auf Mischkalkulation setzen.“ Anfang 2014 zog die Naturstrom AG mit einem Tarif nach, bei dem mindestens ein Prozent der gelieferten Energie direkt aus deutschen Photovoltaikanlagen stammt – bislang nutzt die Firma vor allem Wind- und Wasserkraft. Derweil sind die Hamburger schon einen Schritt weiter: Mit der thüringischen Energiegenossenschaft Rittersdorf bietet das Grünstromwerk seit Dezember seine erste regionale Variante des Solar25 an, dessen Preisniveau etwa dem bundesweiten Tarif entspricht. Für Kunden in Erfurt, Weimar und Jena sowie den angrenzenden Landkreisen wird der Solaranteil vor Ort bei dem Solarkraftwerk auf der ehemaligen Mülldeponie in Rittersdorf eingekauft; der Grundpreis des Tarifs liegt bei 7,95 Euro im Monat, der Arbeitspreis pro Kilowattstunde je nach Postleitzahlgebiet bei etwa 26 bis 28 Cent. Die Rittersdorfer Genossen verzichten auf die EEG-Vergütung, bekommen aber vom Grünstromwerk einen Betrag je Kilowattstunde, der leicht darüber liegt. Genaue Zahlen nennen die Vertragspartner nicht. Der Genossenschaft zufolge ist der wirtschaftliche Betrieb ihrer Anlage aber gesichert. Für etwa 1.500 Solar25-Kunden reicht die produzierte Energie aus. Werden es mehr, wollen die Rittersdorfer das nächste Kraftwerk bauen.
Das Rittersdorfer Modell entspricht dem Regionalprinzip, das das Grünstromwerk verfolgt. „Deutscher Solarstrom für deutsche Kunden – geografisch ist uns diese Zuordnung zu groß, denn wir wollen den dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien fördern“, sagt Meyer. Teil des Solar25 ist eine Ausbaugarantie, deren Einhaltung ebenso wie der Strommix jährlich vom TÜV überprüft wird: Ab 1.000 Kunden in einer Region sichert das Grünstromwerk zu, für den Solaranteil in der näheren Umgebung innerhalb eines Jahres ein Photovoltaikkraftwerk unter Vertrag zu nehmen oder innerhalb von zwei Jahren ein neues zu bauen. Was als Region gilt und was als nähere Umgebung, haben Grünstromwerk und TÜV Rheinland in einem Berechnungsverfahren festgelegt, das auf den Postleitzahlbereichen aufsetzt und als weitere Faktoren Bevölkerungs- und Siedlungsdichte einbezieht. Wichtig ist Meyer, dass der Zubau damit von der tatsächlichen Nachfrage abhängt. „Unser Ziel ist es, den bundesweit angebotenen Tarif in viele Regionaltarife zu überführen. Dann ist der Strom aus der Steckdose kein anonymes Produkt mehr, sondern Energie aus der Region für die Region“, sagt Meyer. „Die Kunden fördern über ihre Nachfragemacht außerdem direkt den Ausbau der Photovoltaik.“
Wo das erste neue Kraftwerk stehen wird, das auf der Nachfrage der Solar25-Kunden beruht, ist noch offen. Den nächsten Regionaltarif wird es wahrscheinlich in Bayern geben, wo gerade Gespräche mit einer Energiegenossenschaft laufen. „Diese Kooperationen wollen wir möglichst flächendeckend aufbauen“, sagt Meyer. Die Ausbaugarantie könnte im Raum Berlin aber erstmals greifen. „Wahrscheinlich werden wir zuerst in der Hauptstadtregion die 1.000-Kunden-Schwelle überschreiten, die für ein neues Solarkraftwerk nötig ist.“ Am liebsten würde Tim Meyer diese Photovoltaikanlage Energieminister Sigmar Gabriel direkt vor die Tür stellen. (Petra Hannen)
Das Grünstromwerk ist einer der drei Gewinner des pv magazine awards: top business model, die eine unabhängige Juri des pv mgazine im März 2013 gekürt hat. Alle Gewinner haben neue Geschäftsmodelle etabliert. Das Grünstromwerk gibt Stromverbrauchern die Möglichkeit, selber zu entscheiden, ob sie Solaranlagen außerhalb des EEGs mit finanzieren wollen. Teuer ist es nicht. DZ-4 schafft ein Modell, mit dem Investoren ihr Geld eben nicht mehr nur in große Solarparks stecken können, sondern in kleine dezentrale Anlagen. Suntility macht ähnliches für Gewerbebetriebe. Es wird meist nur thematisiert, dass es dadurch für Dachbesitzer (DZ-4 im Eigenheim, Suntility im Gewerbe) einfacher wird, zu installieren. Der Knackpunkt ist aber, dass damit ein Modell für investoren geschaffen wird.Mehr in dem Übersichtsartikel und den dort verlinkten Artikeln zu den einzelnen Unternehmen.
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