Gibt es wirklich einen Einbruch beim Zubau von Photovoltaik-Dachanlagen?

Photovoltaik, Zubau, Registrierungsdatum

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Die Veröffentlichungen der Photovoltaik-Zubauzahlen durch die Bundesnetzagentur suggerierten in den letzten Monaten den Eindruck, dass gerade das Segment der privaten Dachanlagen gegenüber dem Vorjahr deutlich rückläufig ist. Dazu kommen die Klagen vieler regionaler und überregionaler Installationsunternehmen über fehlende Aufträge, eine schwierige Marktlage sowie große Käuferzurückhaltung angesichts von Inflation und hohen Zinsen bei gleichzeitig wieder deutlich gesunkenen Energiekosten.

Auf den ersten Blick scheinen die veröffentlichten Zubauzahlen der Bundesnetzagentur dies auch zu bestätigen. So liegen die nach Segmenten aufgeteilten Installationszahlen für den Dachanlagenmarkt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung durch die Behörde teilweise 30 bis 50 Prozent unter den Vorjahreswerten. Kurz vor der Intersolar Europe hatte allerdings der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) darauf hingewiesen, dass er von einem Marktwachstum im zweistelligen Prozentbereich für dieses Jahr ausgeht und dies mit den im Vergleich zum Vorjahr höheren Meldezahlen für Photovoltaik-Anlagen im Marktstammdatenregister bis Ende April begründet.

Die Bundesnetzagentur veröffentlicht die Zubauzahlen mittlerweile in der Regel um den 20. des Folgemonats. Für die Aprilzahlen nahm sie sogar schon den im Marktstammdatenregister verfügbaren Bestand mit Stichtag 13. Mai. Nun ist es aber so, dass die Betreiber vier Wochen Zeit haben, um ihre Photovoltaik-Anlagen fristgerecht in dem Verzeichnis anzumelden. Manche brauchen auch noch viel länger für die Registrierung ihrer Photovoltaik-Anlage im Marktstammdatenregister. Außerdem kommt bei nachträglichen Prüfungen durch die Netzbetreiber gar nicht selten heraus, dass Anlagen mit komplett falschen Leistungsangaben gemeldet wurde. Ein falscher Eindruck entsteht also, wenn man diese Daten für das aktuelle Jahr mit den Daten aus dem letzten Jahr zum gleichen Stichtag vergleicht.

Auf die nachträglichen Korrekturen für die Vormonate durch die Bundesnetzagentur haben wir in unserer Berichterstattung immer wieder hingewiesen. Wie groß die Diskrepanzen wirklich sind und wie sich der Photovoltaik-Markt tatsächlich entwickelt, lässt sich daher am ehesten herausfinden, wenn man die bis zum Stichtag registrierten Photovoltaik-Anlagen auf Jahresbasis vergleicht. Dann bestätigt sich das Bild eines eingebrochenen Photovoltaik-Zubaus bei den kleinen Dachanlagen so nicht.

pv magazine hat das Marktstammdatenregister für die Photovoltaik-Anlagen zwischen 0 und 30 Kilowatt ausgewertet. Wenn man alle Anlagen mit Inbetriebnahmedatum zwischen 1. Januar und 31. Mai 2023 beziehungsweise 1. Januar bis 31. Mai 2024 berücksichtigt, die bis zum Download der Datenbank am 9.7.2024 registriert waren, ergibt sich für dieses Segment für 2023 ein Zubau (Januar bis Mai) von 3126 Megawatt. Für den gleichen Zeitraum 2024 sind es 2696 Megawatt. Danach wäre der Markt also stark rückläufig.

Zählt man jedoch in beiden Fällen die Anlagen, die von Januar bis Mai in Betrieb gingen, aber bis zum 30. Juni des jeweiligen Jahres registriert waren, dreht sich das Bild. Beim Betrachtungszeitraum 2023 entfallen dann die noch später – also nach dem 30. Juni – gemeldeten Anlagen, beim Betrachtungszeitraum 2024 kommen die erst im Juni gemeldeten hinzu. Auf dieser Basis ergeben sich für Januar bis Mai 2023 im Bereich der Dachanlagen bis 30 Kilowatt nur 2658 Megawatt Zubau. 2024 waren es im gleichen Zeitraum dagegen mit 2663 Megawatt sogar etwas mehr.

Aus den Daten lässt sich allerdings auch eine Verschiebung der Anlagengröße herauslesen, wenn man dieses Segment nochmal in Dachanlagen von 0 bis 10 Kilowatt und 10 bis 30 Kilowatt unterteilt. Dann zeigt sich folgendes Bild: Bei den kleineren Dachanlagen lag der Zubau von Januar bis einschließlich Mai mit Registrierungsdatum bis 30. Juni im Jahr 2023 bei 1294 Megawatt und 2024 bei nur 1036 Megawatt. Bei den etwas größeren Photovoltaik-Anlagen (10 bis 30 Kilowatt) gab es hingegen eine deutliche Steigerung: 2023 waren es 1364 Megawatt und 2024 bereits 1627 Megawatt, die in dieser Anlagenklasse an Gesamtleistung zugebaut und im Marktstammdatenregister bis Ende Juni des jeweiligen Jahres gemeldet wurden. Ein genauerer Blick zeigt, dass nur das Segment von 5 bis 10 Kilowatt rückläufig ist.

Die Analyse der Daten zeigt deutlich, welchen Meldeverzug es bei Photovoltaik-Anlagen gibt (Grafik 1). Bei den Anlagen bis zehn Kilowatt Leistung sind nach einem Monat erst 77 bis 80 Prozent der wirklich neu installierten Gesamtleistung im Marktstammdatenregister gemeldet, wenn die Bundesnetzagentur ihre Monatsstatistik veröffentlicht. Im Segment 10 bis 30 Kilowatt sogar erst 73 bis 76 Prozent. Die Nachmeldungen erfolgen dabei nicht unbedingt noch in der vorgesehenen Frist, sondern teilweise noch Monate später, manche auch mehr als ein Jahr nach Inbetriebnahme, wobei die Sprünge bei den Steigerungen der Megawatt von Monat zu Monat nach Meldetermin geringer ausfallen.

Meldeverzug, Photovoltaik-Anlagen
Grafik 2: Betreiber registrieren die installierte Leistung im Segment unter 10 Kilowatt in einem bestimmten Monat erst mit deutlichem Verzug im Marktstammdatenregister. Die Auswertung für Januar 2023 zeigt, dass auch nach einem Monat, also am 28.2.2023, erst 238 Megawatt registriert waren. Bis heute kamen 66 Megawatt hinzu, es sind 304 Megawatt für diesen Monat registriert worden. Diese Registrierungskurven verlaufen für alle Monate ähnlich, unterscheiden sich jedoch nach Segment.

Grafik: pv magazine

Um den Zubautrend zu bewerten, ist es daher besser, immer die Anlagen zu zählen, die zum Beispiel drei Monate nach dem Inbetriebnahmedatum registriert sind, statt alle bereits registrierten Anlagen zu betrachten. Diese Auswertung zeigt die Grafik 1. Wenn man für den Trend die Daten bis einschließlich Juni 2024 betrachtet, muss man den Zeitraum noch weiter einschränken. Grafik 3 zeigt die Anlagen, die jeweils bis Ende des Inbetriebnahmemonats registriert wurden. Danach sieht es so aus, dass der Monat Juni 2024 wiederum in beiden betrachteten Bereichen hinter dem des Vorjahres zurückbleiben wird. Für genauere Zahlen dazu sollte man allerdings noch etwas abwarten.

Wenn man einen Blick auf alle Segmente einschließlich der Großanlagen wirft, sind von Januar bis Mai 2023 mit Registrierungsstichtag 30. Juni rund 5 Gigawatt installiert, im gleichen Zeitraum dieses Jahr mit 6,3 Gigawatt deutlich mehr.

Auf Basis dieser Analyse stellt sich die Frage, warum trotzdem in der Branche der Eindruck besteht, der Zubau in den kleinen Segmenten sei zurückgegangen. Eventuell stammt diese Bild nur von Betrieben, die im Wesentlichen im unteren Teil des Segments 10 bis 30 Kilowatt aktiv sind. Oder die Ursache liegt eher in der Preisentwicklung und Lagerhaltung. Die stark gesunkenen Modulpreise und die nach Aussagen vieler Marktteilnehmer bestehende Sättigung der Wertschöpfungskette mit kleinen Wechselrichtern kann durchaus etliche Betriebe unter Druck setzen.

BSW-Solar: Steigender Wettbewerbsdruck bei sinkenden Preisen

Beim BSW-Solar geht man auf Basis der Daten aus dem Marktstammdatenregister bei den Dachanlagen bis 30 Kilowatt – ohne Berücksichtigung der Stecker-Solar-Geräte – von einer Stagnation der Inbetriebnahmen in den ersten Monaten des Jahres aus, wenn man die Nachmeldungen berücksichtigt.* „Eine Erklärung für die zum Teil im Heimsegment bei einigen Unternehmen besonders stark empfundene Eintrübung der Geschäftslage dürfte damit zusammenhängen, dass in den letzten zwei, drei Jahren dem Vernehmen nach bis zu 5000 neue Installationsunternehmen in den heimischen Photovoltaik-Markt eingestiegen sind“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, auf Anfrage von pv magazine. „Wenn der Gesamtmarkt bei mehr Mitbewerbern auch nur stagniert, dann führt das bei einzelnen Unternehmen zwangsläufig zu einem Umsatzrückgang. Bei sinkenden Preisen verstärkt sich der Umsatzrückgang noch“, so Körnig weiter. Ganz überraschend komme die Entwicklung nicht. Denn die Abkühlung der „Sonderkonjunktur“ bei Photovoltaik-Anlagen, erst durch die Corona-Pandemie und dann die Energiekrise, sei zu erwarten gewesen.

Auch der internen Branchenbefragung des BSW-Solar schlägt sich die eher eingetrübte Stimmung unter den Installationsunternehmen nieder. So gab der überwiegende Teil der Befragten an, dass die Zahl der Kundenanfragen im Heimsegment im zweiten Quartal 2024 gegenüber dem ersten Quartal gesunken ist. 33 Prozent erklären, sie seien „eher“ gesunken und 22 Prozent gaben „sehr deutlich“ an. Währenddessen registrierten 29 Prozent einen gleichbleibenden Eingang der Kundenanfragen und 16 Prozent der Befragten eine steigende Anzahl, so der Verband.

Der „Geschäftsklimaindex“ des BSW-Solar ergab zudem, dass mit 43 Prozent fast die Hälfte der Befragen von gleichbleibenden Geschäftserwartungen ausgehen, während 34 Prozent günstigere Entwicklungen erwarten und noch 20 Prozent eher ungünstigere. Diese Befragung bezog sich allerdings auf die Entwicklung des gesamten Photovoltaik-Marktes, nicht nur auf das Heimsegment.

Photovoltaik, Zubau,
Grafik 3: Diese Grafik ist ähnlich generiert wie Grafik 1, nur dass als Registrierungsstichtag jeweils das Ende des jeweiligen Monats gewählt wurde. Die Megawattzahlen dürften bei den unteren Segmenten nur 50 bis 60 Prozent der realen Zahl entsprechen, erlauben aber eine erste grobe Einschätzung, wie der Juni 2024 verlaufen ist. Demnach bleibt er in den unteren Segmenten hinter dem Juni des Vorjahres zurück. Für eine genauere Einschätzung muss man jedoch noch einen späteren Registrierungsstichtag abwarten.

Grafik: pv magazine

*Anmerkung der Redaktion: Wir haben diesen Satz auf Wunsch des BSW-Solar am 16.7.2024 präzisiert.

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